Article by Christoph Schütte
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Fragen an Israels Grenzen
Frankfurt | Ella Littwitz stellt bei Basis aus
Vielleicht braucht man das gar nicht. doch haben solide Kenntnisse der Bibel in der Kunst auch der Gegenwart noch nie geschadet. dabei geht es ella Litt- witz weniger um religiöse und im enge- ren sinne bekenntnishafte themen, sondern vor allem um politische Fragen. im Werk der 1982 in haifa geborenen Künstlerin und in israel und im Westjor- danland, in jener Gegend also, die das terrain ist, auf dem sich ihre Kunst ent- faltet, lässt sich das nun einmal gar nicht so einfach trennen.
„Red Mercury“, so der titel von Litt- witz’ erster umfassender einzelausstel- lung in deutschland, die ihr christin Müller und Felix Ruhöfer im Frankfurter Atelierhaus Basis eingerichtet haben, führt in ihrem Werk historische und politische, soziale, territoriale und bibli- sche Narrative und erzählungen parallel und immer wieder auch zusammen. und findet so zu hier skulpturalen, dort installativen oder in einer serie von zeichnungen sich manifestierenden Bil- dern, die geradeso spröde wie poetisch, prosaisch wie entschieden politisch anmuten. Vor allem aber sind sie offen. selbst dort, wo der titel eine eindeutige Lesbarkeit nahezulegen scheint wie angesichts von „Facts on the ground“.
ein Bronzeabguss eines stückchens rissig-trockener erde bloß und doch zugleich ein starkes Bild für die israeli- sche siedlungspolitik, die im Westjor- danland buchstäblich Fakten schafft. doch ob Littwitz Wasser aus dem Jor- dan schöpft und es sich in gewaltige stahlplatten fressen lässt; ob sie roten, weißen oder gelben sand, graue, braune und diverse andere erden all der staaten in einem Bild zusammenführt, die sie als israelische staatsbürgerin nicht bereisen darf, oder ob sie am angeblich histori- schen, indes tatsächlich strittigen, hier in Jordanien und dort im Westjordan- land gelegenen Ort der taufe christi textilbahnen durch den uferschlamm zieht wie für „A high degree of certain- ty“: eindimensional sind ihre Bilder nie.
das gilt für jene Arbeiten, die über Grenzen im Allgemeinen wie jene israels im Besonderen reflektieren gera- deso für wie jene, die sich auf die identi- tät des modernen israel beziehen. dabei
sieht man es Littwitz’ Bronzeabguss für „the Promise“ zunächst einmal nicht an, dass der stumpf im Grunde alles ist, was von dem Bäumchen und mithin dem titelgebenden Versprechen nach 120 Jahren noch geblieben ist, das der Vater des zionismus, theodor herzl, einst auf palästinensischer erde pflanzte. so wenig, wie man dem schlamm vom Grund des Flusses ansieht, von welchem ufer er stammt. Oder den aus dem Jor- dan gefischten Bojen, wofür sie stehen.
„diese Linie“, hat Littwitz den Mar- kierungen von „this Line“ einen Passus aus der Friedensvereinbarung israels und Jordaniens beigegeben, „bildet die Verwaltungsgrenze zwischen Jordanien und dem Gebiet, das 1967 unter die Kontrolle der israelischen Militärregie- rung kam.
Ella Littwitz, The Path, 2021, exhibition view Red Mercury, basis, Frankfurt, 2023. © basis e.V., Frankfurt. Photo_ Bernd Euring.
Jede Bearbeitung dieser Linie lässt den status dieses Gebiets unberührt.“ der Lauf des Flusses aber ist nicht in stein gemeißelt. Weshalb sich die Grenze mit wechselnder strömung schon einmal ganz von selbst verschiebt, was hybris und Komik ins spiel bringt. Littwitz’ Kunst aber, mit ihren Fragen nach Grenzen, nach den Möglichkeiten des zusammenlebens im Nahen Osten, ist es dagegen durchaus ernst. und die Pointe ist hier wie bei „the Promise“ am ende bitter.